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Tabuthema Stuhltransplantation: Was die Übertragung gesunder Darmflora bewirken kann

Die Stuhltransplantation ist nicht nur in Deutschland ein Tabuthema, über das in den Medien nur selten berichtet wird ‒ dabei hat sie sich in den letzten Jahren als einfache und gut verträgliche Behandlungsmethode für Menschen mit entzündlichen Darmerkrankungen erwiesen. Was es genau mit dieser ganz besonderen Therapieform auf sich hat und für wen sie infrage kommt, erfahren Sie hier.

Stuhltransplantation: Was ist das eigentlich?

Bei der Stuhltransplantation – auch Stuhltransfusion oder fäkale Bakterientherapie genannt – handelt es sich um die Übertragung von Stuhl eines gesunden Spenders in den Darm eines Empfängers. Alternativ können auch lediglich die aus dem Darm einer gesunden Person gewonnenen Bakterien transplantiert werden. Der Begriff Transplantation ist in diesem Zusammenhang eigentlich irreführend, da der transplantierte Stuhl nicht dauerhaft im Empfänger verbleibt. Dennoch hat sich diese Bezeichnung durchgesetzt.

Das Ziel der Stuhltransplantation ist die langfristige Wiederherstellung der physiologischen Darmflora. Bisher erfolgte die Behandlung von Darmerkrankungen mit künstlich herangezüchteten Verdauungsbakterien, die oral verabreicht wurden. Diese haben jedoch den Nachteil, dass sie lediglich einzelne Bakterienstämme enthalten, während der Stuhl eines Menschen mit gesunder Darmflora ein regelrechtes Kollektiv von Mikroorganismen enthält, die in perfekter Balance miteinander leben. Dieses Kollektiv in seiner Größe und Vielfalt künstlich nachzubauen, erweist sich in der Praxis quasi als unmöglich. Dazu kommt, dass oral eingenommene Bakterienstämme durch die bereits vorhandenen Bakterien an einer dauerhaften Ansiedlung im Darm gehindert werden.

Der Stuhl eines Spenders enthält hingegen Billionen von Bakterien, die das Gleichgewicht im erkrankten Darm wiederherstellen. Die Stuhltransplantation kommt in der Schulmedizin seit etwa zehn Jahren zum Einsatz. Bereits im vierten Jahrhundert wurde die Prozedur jedoch in einem chinesischen Medizinbuch erläutert. Die erste bekannte Erwähnung in der Neuzeit stammt aus dem Jahr 1958.

Die Heilungsrate durch eine Stuhltransplantation liegt bei über 90 Prozent – und das quasi ohne unerwünschte Nebenwirkungen. Dennoch müssen die Kosten in Deutschland noch selbst übernommen werden. In den USA ist die Medizin schon einen großen Schritt weiter: Hier gibt es seit 2012 eine „Stuhlbank“. Sie befindet sich in der Nähe der weltberühmten Bostoner Universität MIT (Massachusetts Institute of Technology) und hält zahlreiche tiefgefrorene Stuhlspenden bereit.

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Der Ablauf einer Stuhltransplantation

Bei der Stuhltransplantation handelt es sich um einen unkomplizierten Eingriff, der nur wenig Zeit in Anspruch nimmt. Langwierig ist lediglich die Voruntersuchung des potenziellen Spenders, denn dieser darf keinesfalls selbst unter einer Darm- oder Infektionskrankheit leiden. Umfangreiche Tests sind daher unabdingbar, um das Risiko für den Empfänger zu minimieren. Und so läuft die Stuhltransplantation ab: Der Spenderstuhl wird mithilfe einer Salzlösung verflüssigt und anschließend gefiltert. Dann wird er mittels einer Nasensonde in den Darm des Empfängers übertragen. Alternativ kann die Transplantation auch im Rahmen einer Darmspiegelung erfolgen. Als Spender eignen sich ausschließlich Personen mit einer gesunden Darmflora.

Dabei werden Personen, die mit dem Empfänger in einem Haushalt leben bevorzugt – zum einen, weil der Ekelfaktor ein wenig geringer ausfällt, zum anderen, weil zwei in einem Haushalt lebende Personen über ein ähnliches Mikrobiom (das heißt einen gemeinsamen Lebensraum für Mikroorganismen) verfügen. Auf weitere gemeinsame Merkmale, beispielsweise auf die Blutgruppe, kommt es bei der Übertragung von Stuhl hingegen nicht an.

Der Spender muss jedoch absolut frei von Infektionskrankheiten sein und darf innerhalb der vorangegangenen Monate keine Antibiotika eingenommen haben. Dank der hohen Erfolgsrate von Stuhltransplantationen sind die Pharmakonzerne bestrebt, den Stuhl gesunder Spender zur Gewinnung von Bakterienextrakten zu nutzen. Diese könnten dann in Kapselform eingenommen werden. Sollten die Forscher ihr Ziel erreichen, würden zukünftig gleich mehrere Empfänger von einer einzigen Stuhlspende profitieren.

Bei welchen Krankheiten/Beschwerden kann eine Stuhltransplantation hilfreich sein?

Bisher kam die Stuhltransplantation hauptsächlich bei der sogenannten pseudomembranösen Kolitis zum Einsatz, einer stark entzündlichen Darmerkrankung, bei der andere Behandlungsmethoden keine oder kaum Wirkung zeigen. Inzwischen wurden die breit angelegten Studien jedoch auch auf chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und verschiedene Autoimmunerkrankungen ausgeweitet. Auch all jene, die unter dem Reizdarmsyndrom leiden, können Hoffnung schöpfen.

Gleiches gilt für Menschen mit Morbus Crohn. Bisher wurden diese Darmkrankheiten mit Antibiotika behandelt – mit fatalen Folgen: Antibiotika machen nämlich keinen Unterschied zwischen schädlichen und gesunden Bakterien, sodass der Darm durch die Behandlung oftmals lediglich noch mehr in Mitleidenschaft gezogen wird.

Nicht selten ist eine wiederholte Behandlung mit Antibiotika überhaupt erst der Auslöser für eine Darmerkrankung. Die Stuhltransplantation hat hingegen einen positiven Nebeneffekt: Die Forschungen weisen darauf hin, dass Menschen mit Übergewicht nach der Stuhlübertragung von einer schlanken Person schneller an Gewicht verlieren und ihr Gewicht anschließend auch dauerhaft halten.

Im Umkehrschluss bedeutet das jedoch, dass sich der Stuhl eines übergewichtigen Spenders negativ auf das Gewicht des Empfängers auswirken könnte. In Deutschland wird die Stuhltransplantation bisher nur dann durchgeführt, wenn sich alle anderen Behandlungsmethoden als wirkungslos erwiesen haben und der Patient unter massiven Beschwerden wie etwa chronischem Durchfall leidet.

Chronischer Durchfall kann vor allem bei vorbelasteten Personen, Kindern und älteren Menschen zu einem lebensgefährlichen Flüssigkeitsmangel führen, sodass schnelle Hilfe unerlässlich ist. Das mögliche Anwendungsfeld von Stuhltransplantationen ist jedoch noch viel weiter: Sogar als Therapiemöglichkeit für Allergien, Diabetes Typ II, Zöliakie und Multiple Sklerose ist sie im Gespräch. Die Wissenschaftler stehen allerdings noch ganz am Anfang, sodass es eine Weile dauern kann, bis die Wirkung und vor allem die Langzeitfolgen der Stuhltransplantation gänzlich erforscht sind.

Ist die Stuhltransplantation mit Risiken verbunden?

Die Stuhltransplantation selbst ist mit nahezu keinen Risiken verbunden. Der Stuhl des Spenders wird lediglich mittels einer Sonde oder im Zuge einer Darmspiegelung in den Darm eingebracht – und das ganz ohne Skalpell und somit ohne Wunden und Narben. In US-amerikanischen Studien kam es kaum zu Nebenwirkungen. Einige Studienteilnehmer litten unter kurzzeitig verstärktem Durchfall oder unter Krämpfen, die jedoch nach spätestens drei Stunden abklangen.

Kritiker der Bakterientherapie vertreten hingegen die Ansicht, dass die Risiken einer Stuhltransplantation nicht vollständig abschätzbar sind – insbesondere, da die Darmflora angesichts ihrer Komplexität gerade einmal ansatzweise erforscht ist. Dennoch sprechen die vielen positiven Behandlungsergebnisse für sich, sodass Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen von tiefer gehenden Studien nur profitieren können.

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Fazit

Die Stuhltransplantation konnte sich bisher nicht als anerkannte Therapieform etablieren. Allerdings laufen weltweit groß angelegte Studien, die hoffentlich Licht ins Dunkel bringen und es Medizinern zukünftig ermöglichen werden, Menschen mit Darmerkrankungen und anderen Leiden zu heilen und ihnen auf diese Weise zu mehr Lebensqualität zu verhelfen.



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